Auslandspraktikum in Stockholm

Mein Auslandspraktikum von Alena Hänsel

Stockholm, Schweden

– Haga Bageri & Tartcompani –

5. September bis 20. Dezember 2019

 

Im September diesen Jahres hatte ich das große Glück mit Hilfe der Handwerkskammer Hannover, dem Europäischen Bildungsverbund e.V. und natürlich der Carl Duisburg Gesellschaft ein Auslandspraktikum in Stockholm zu machen.

Nachdem ich im Januar 2019 meine Ausbildung als Konditorin erfolgreich abschloss, arbeitete ich einige Monate hier in Hannover, merkte aber schnell, dass die tägliche Routine nichts für mich ist. Ich hatte das Gefühl, nicht genug gelernt und gesehen zu haben.

Im letzten Halbjahr der Berufsschule erfuhr ich von der Möglichkeit, ein Auslandspraktikum durch das Erasmus+ Programm mithilfe der HWK zu starten. Ich informierte mich bei Frau Prietz und nach einigen Gesprächen und viel Recherche stand alles schnell fest.

Aus dem Auslandspraktikum erhoffte ich mir, vieles von der einzigartigen skandinavischen Mentalität mitzunehmen und dadurch verantwortungsbewusster und zielstrebiger zu arbeiten, mich dadurch jedoch nicht selbst im Stress zu verlieren und mich auf meine Mitmenschen zu verlassen.

Beruflich sollte mir dies neuen Anschwung, Ideen und Kreativität geben um aus dem alltäglichen deutschen Trott herauszukommen und über den Tellerrand zu blicken.

Über Haga

Haga Bageri & Tartcompani wurde im Januar 2014 unter der Leitung von Oscar Malevik und Anna Cardelius geöffnet. Spezialisiert hat sich die Bäckerei und Konditorei auf Sauerteigbrot und verschiedenste traditionelle schwedische Brötchen und Süßgebäcke. Der Hauptfokus liegt aber auf den vielseitigen Tortenkreationen und Desserts.

Die Verwendung von regionalen, saisonalen Zutaten Bio-Qualität hat höchste Priorität bei Haga. Unsere Filiale ist die Hauptfiliale mit Bäckerei. Es gibt zwei weitere Haga Cafés im Süden Stockholms und die neu eröffnete, eher gehobene, Haga Schweizeri. Dort werden neben Kuchen auch warme Speisen und Cocktails angeboten.

Meine ersten Tage

Nach einer sehr späten Ankunft in meiner Wohnung in Stockholm startete ich den nächsten Tag müde aber aufgeregt um 6 Uhr.

Das kleine Cafe liegt in einer Straßenecke, in einem zentralen Stadtteil Stockholms. Mir fiel direkt auf wie urig, gemütlich und heimisch alles eingerichtet war. Interessant fand ich den Aufbau der Produktion direkt im Verkaufsbereich neben der Kuchenvitrine. Anders als in Deutschland werden die Brötchen und Backwaren nicht in Plastikkörben oder auf -tellern präsentiert, sondern alles wird fein säuberlich aufgestellt. Die Brötchen liegen in Weidenkörben und Brot auf einem Holzregal hinter der goldenen Kuchenvitrine, in der bereits belegte Brötchen und einige Tortenstücke präsentiert werden.

Ich wurde herzlichst im Team begrüßt. Nach einer kurzen Tour ging es direkt zur Sache. Ich durfte die typisch schwedischen Prinzessinentorten herstellen und danach die bestellten Torten ausdekorieren.

Prinzessinentorte

In den nächsten Tagen und Wochen wurden diese beiden Aufgaben schnell zur Routine.

Schon vor meiner Ankunft wusste ich, dass Englisch sprechen in Stockholm kein Problem sein würde. Die Stadt ist sehr international und jeder, egal ob 10 oder 80 Jahre alt, spricht perfektes Englisch mit dir.

So war es auch auf der Arbeit absolut kein Problem sich zu verständigen. Ab und an versuchte ich es auch auf Schwedisch, aber als wir dann neue Kollegen aus Portugal, Ungarn und England bekamen hatte es sich schnell mit dem Schwedisch und alle sprachen Englisch.

Neben den Torten kamen Woche für Woche mehr Aufgaben für mich dazu. Ich stellte die Chokladbollar her (Schokokugeln aus Butter, Kaffee, Haferflocken, Kakao), produzierte verschiedenste Kuchen und Tortenböden, stellte Moussefüllungen aus Fruchtpüree oder Schokolade her und setzte damit die Torten ein.

An einigen Tagen durfte ich auf meine Nachfrage hin auch in der Bäckerei arbeiten. Dort machte ich Brotteige mit interessanten Zutaten wie Preiselbeeren oder roter Beete, wirkte Brötchen rund, formte Brotlaibe und machte natürlich auch Kanelbulle, das Aushängeschild für jede schwedische Bäckerei.

Bulle gibt es mit Zimt (Kanel) oder Kardamon. Andere Varianten wie Schokolade oder mit Frucht sind auch beliebt. Sie bestehen aus einem Hefeteig mit viel Butter und werden mit noch mehr Butter und Zimtzucker gefüllt. Wenn sie aus dem Ofen kommen werden sie mit Zuckersirup bestrichen und mit Hagelzucker bestreut. Kein Wunder, dass sie sich so gut verkaufen.

Fertige Bulle vor und nach dem Backen

Der Teig wird ausgerollt, gefüllt, gefaltet, geschnitten und dann zu kleinen Knoten gedreht.

Die kleinen Zimtkringel sind so beliebt, dass sie sogar ihren eigenen Feiertag haben, nämlich den Kanelbullensdag am 4. Oktober. Die Vorbereitungen begannen schon um 1 Uhr morgens und das komplette Team hat den ganzen Tag nichts anderes gemacht als die süßen Teilchen zu drehen, zu backen, zu verpacken und vielleicht auch zu essen. Insgesamt verkauften wir über 5000 Stück und brachen den Rekord vom vorherigen Jahr.

Die Arbeit in der Bäckerei war auf jeden fall körperlich anstrengender als in der Konditorei. In meinem alten Betrieb     arbeiteten wir mit viel größeren Mengen, da wir oft für Tage im voraus produzierten.

Bei Haga wird jedoch Tag für Tag alles frisch hergestellt. Bis auf einige Moussetorten und größere Bestellungen wird nicht mehr als nötig im Froster gelagert.

Eigene Rezepte

An einigen Tagen durfte ich bei der Arbeit auch eigene Rezepte mitbringen und meinen Kollegen zeigen, was wir so in Deutschland backen. Zur Pflaumenzeit machte ich einen Zwetschgenkuchen und Butterkuchen, was tatsächlich sehr gut ankam und ich mehrmals nachbacken musste. Meine Kollegin fragte mich auch oft nach meiner Meinung oder meinen Ideen. So kreierten wir zusammen neue Ideen, wie eine Earl Grey Panna Cotta Schnitte oder ein weißes Mousse mit Espresso.

Mini Sachertorten


Butterkuchen mit Mandeln

Sightseeing und Freizeit

Die letzten sonnigen Wochen vor dem Winter nutzte ich in Stockholm für viel Sightseeing und Unternehmungen. Stockholm ist sehr kompakt. Mit Bus und Metro erreicht man alles schnell und einfach. Ich besuchte mit meinen Freunden die Altstadt, das Nobelpreis Museum, das Parliament House, den Royal Palace und vieles Mehr. Außerdem besuchte ich das Modern Art Museum, das Fotografie Museum (Fotografiska) sowie das Freilichtmuseum Skansen. Dort wird nicht nur viel über das Leben in vergangenen Jahrhunderten gezeigt, sondern man kann auch einheimische Tiere, wie Elche, Rentiere oder Bären bestaunen.

Altstadt


Rentier

Vom besten Aussichtspunkt, gelegen im Süden Stockholms, hatte ich einen perfekten Ausblick über Gröna Lund (Freizeitpark) und viele Wahrzeichen Stockholms.

Ausblick auf Gröna Lund

Feierabend hatte ich meist gegen zwei Uhr. In meiner Freizeit radelte ich viel durch Stockholm und entdeckte so die schönsten Ecken, oder besuchte die Tanzschule.

Je weiter das Jahr voranschritt, desto weniger Tageslicht gab es. Im Dezember ging die Sonne gegen 9 auf und gegen 15 Uhr wieder unter. An diesen kurzen Tagen ging ich viel dem liebsten Hobby der Schweden nach: Fika. Fika beschreibt das kurze Innehalten im Alltagstrubel und sich einfach mal entspannt mit Kaffee und Kuchen niederzulassen.

Arbeitsmentalität

Was ich besonders beeindruckend fand, war die fehlende Hierarchie bei der Arbeit. Egal welche Position du hast, ob du der Manager bist oder Praktikant, alle werden mit demselben Respekt behandelt. Aus meiner Ausbildung und Zeit in der Berufsschule kenne ich es, dass man als Azubi nur als einfache Hilfskraft abgestempelt wird. Man kann sich nicht einbringen, muss sich fügen und funktionieren.

Auch wenn ich als Praktikant dort war, wurde mir viel Verantwortung gegeben. Nach meiner Meinung wurde gefragt und ich fühlte mich so wohl im Team, dass es immer schwerer wurde zu akzeptieren, dass ich tatsächlich wieder nach Hause muss.

Wir sprachen auch über die Möglichkeit einer Festanstellung bei Haga, aber momentan sehe ich solch eine spontane Entscheidung leider noch nicht für mich.

Die Unterschiede zur deutschen Arbeitsmentalität waren mir schon nach wenigen Tagen klar. Ich war immer sehr erpicht darauf, möglichst viele Aufgaben möglichst schnell und effizient abzuarbeiten, so wie es mir in meinem deutschen Betrieb 2.5 Jahre lang beigebracht wurde. Wer nicht schnell ist, ist auch kein guter Arbeiter. Aber alle schwedischen Kollegen waren um einiges entspannter. Wenn ein oder zwei Aufgaben am Tag liegen blieben, wurden diese auf den nächsten Tag verschoben. Überstunden fielen so gut wie keine an.

Das heißt nicht, dass dort alle fauler und langsamer arbeiten. Sondern das dein persönliches Wohlergehen, wie ein gemeinsames Frühstück und Mittagessen und geregelte Arbeitszeiten, wichtiger sind als noch mehr Bestellungen anzunehmen und Mehrarbeit zu leisten.

Dadurch sind die Mitarbeiter um einiges glücklicher und kommen gerne zur Arbeit. So war es auch kein Problem in Sonderfällen wie der Neueröffnungen des vierten Haga Cafes oder an Weihnachten mehr Arbeit zu leisten. Alle halfen mit und für keinen war es ein Problem.

Besonders inspirierend fand ich die Zeit die ich mit meinem Chef, Oscar, verbrachte. Er selbst ist erst 31, hat aber bereits so viel erreicht. Mit 16 begann er die Ausbildung zum Bäcker und gewann mit 18 einen Preis als bester, jüngster Bäcker Schwedens. Sein Ehrgeiz und seine Passion zum Beruf sind einmalig und ich bin so froh von ihm gelernt zu haben.

Hochwertige Zutaten

Beeindruckend fand ich außerdem die konsequente Verwendung von hochwertigen Rohstoffen. In vielen Betrieben die ich kennenlernte wird viel mehr als man denkt mit Fertigprodukten oder Pulvern aus Tüten hergestellt.

Wenn bei Haga etwas nicht zu haben war, wie zum Beispiel Erdbeeren im Winter, wird kein fertiges Püree verwendet, sondern es gibt einfach keine Erdbeertorte.

Das Handwerk wird um einiges mehr geschätzt, so auch die Herkunft der Rohstoffe. Dies sieht man auch in den Preisen der Ware bei Haga. Die Kunden wissen jedoch, für was sie zahlen und das sie Brot ohne Stabilisatoren und Zusatzstoffe bekommen.

Ich bei der Herstellung von Saffranbulle

Weihnachten

In meinen letzten Wochen ging es nur noch um Saffran. Das teure Gewürz wird an Weihnachten in verschiedensten Gebäcken verarbeitet. Es gab Saffranbulle, Saffrankekse, Saffrantorte und vieles mehr.

Unsere Auslage mit Lussekatten und Saffranbulle

Mit Weihnachten kam auch mein letzter Tag näher. Wir feierten bei der Arbeit mit Champagner und ich bekam schöne Abschiedsgeschenke. Beim letzten Abendessen mit allen flossen viele Tränen, aber die Pläne für meinen nächsten Besuch trösteten uns ein wenig.

Mein Resümee

Ich bin so froh und dankbar, dass ich diese Erfahrungen machen durfte. Das Gelernte, sowohl beruflich als auch menschlich, werde ich für immer mit mir tragen und es wird mich auf meinem weiteren Weg begleiten.

Ich werde alle meine Kollegen und Freunde schrecklich vermissen! Dank Social Media werden wir uns alle nicht aus den Augen verlieren.

Vielen Dank an dieser Stelle nochmals für die finanzielle Unterstützung und Ihr Interesse in mein Praktikum.